Uns geht die Fläche aus …

Newsletter vom 09.02.2022 Newsletter

Uns geht die Fläche aus …

Rinder auf der Weide

Wenn von Landwirtschaft die Rede ist, dann geht es meistens um Tierwohl, mehr umweltverträgliche Bewirtschaftung, Insektenschutz und natürlich um den Klimawandel. Kaum jemand denkt im Zusammenhang mit Landwirtschaft daran, ob genug Agrarfläche vorhanden ist.

Fast die Hälfte der Gesamtfläche von Deutschland wird landwirtschaftlich genutzt – 16,7 Mio. ha Obwohl die Einwohnerzahl in Deutschland seit Jahrzehnten ziemlich konstant ist, wird immer mehr Fläche für „Siedlung- und Verkehr" versiegelt und geht für Lebensmittelgewinnung verloren. Pro Tag sind das ca. 70 ha!!! (Badische Bauernzeitung, 2021). Das entspricht der Fläche von einem Bauernhof – jeden Tag.

Die landwirtschaftlich genutzte Fläche teilt sich auf in Acker und Gründland (siehe Abb. rechter Balken). Grünland, das sind Wiesen und Weiden. Diese Unterscheidung in Acker und Grünland ist unbedingt wichtig, denn Grünlandflächen, also Gras, sind nur von Wiederkäuer (Rind, Schaf, Ziege, Büffel, Rentier, Bison, Antilope oder auch der Giraffe) verwertbar. Die Flächen sind also für die menschliche Ernährung nur indirekt nutzbar.

Oft wird behauptet, dass man das Grasland für den Anbau von Lebensmittel nutzen könnte, wenn es weniger Tierhaltung gäbe. Das ist nicht richtig, denn die Flächen werden deshalb als Wiesen und Weiden genutzt, weil sie eben NICHT als Acker geeignet sind: zu nass oder zu trocken, zu steil oder die Vegetationszeit ist zu kurz (z.B. in den Bergregionen, in Skandinavien, der Mongolei oder in Sibirien).

Grünland hat einen hohen ökologischen Wert: es bietet die größte Artenvielfalt an Blühpflanzen und somit Lebensraum für Insekten. Das ist einer der Gründe, weshalb in Deutschland der Umbruch von Grünland zu Acker inzwischen verboten ist.
Global betrachtet, sind 70% !! der Agrarfläche Grünland (Jering et al., 2013) – nur nutzbar durch Tierhaltung und für die Welternährung unverzichtbar.

Nebenbei bemerkt: hier verbirgt sich ein schwieriger Konflikt, denn die Wiederkäuer können mit ihrem speziellen Verdauungssystem das Gras verwerten, geben dabei aber Methan ab, eines der Treibhausgase, welches die Erderwärmung verursacht.

Worüber wir dringend nachdenken müssen …
Die Weltbevölkerung wird bis zum Jahr 2050 um ca. 2 Mrd. Menschen zunehmen (www.dsw.org/weltbevoelkerung/, 2020) – machen wir das deutlich: das sind 2.000 Mio. Menschen – 4 mal mehr als derzeit in Europa leben. Abhängig von der Ernährungsweise müssten rechnerisch bis zum Jahr 2050 jedes Jahr 10 – 15 Mio. ha landwirtschaftliche Fläche, also ungefähr die Agrarfläche Deutschlands, hinzukommen. Aber woher??

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Ernährungsproblem zu lösen: Vermeidung der Lebensmittelabfälle, Erhöhung der Flächenerträge (Gentechnik und digitale Landwirtschaft sind die Schlagwörter), Verwendung neuartiger Lebensmittel wie Insekten, Laborfleisch oder Algen und neuartige Anbauweisen wie „Vertikal Farming" oder „Urban Farming".

Die kapitalistische Variante des Flächenproblems heißt „Landgrabbing" – Investmentgesellschaften kaufen weltweit Agrarflächen und spekulieren auf steigende Lebensmittelpreise.
Die internationale Entwicklungsorganisation Oxfam schätzt, dass in den letzten 20 Jahren über 220 Mio. ha Land von Investoren aufgekauft oder gepachtet wurden (zum Vergleich: Deutschland hat 17 Mio. ha Agrarfläche) (Zagema, 2011)

Einen anderen Lösungsansatz zeigt die Abbildung:
es ist kaum zu glauben, aber von der Ackerfläche in Deutschland werden nur 40% für den Anbau von Lebensmittel verwendet. Weitere 40% sind Flächen für Futtermittel, hauptsächlich Mais und Getreide. Und schließlich werden 22 % der Ackerfläche für den Anbau von Agrarrohstoffe belegt, vorrangig für die Gewinnung von Biogas und Bioethanol.

Aus meiner Sicht ist es unumgänglich, dass ein Teil der Ackerflächen, die derzeit für den Anbau von Futtermittel oder Energiepflanzen genutzt werden, für den Anbau von Lebensmittel verwendet werden. Also, weniger Tierhaltung, Wiederkäuer mit Gras ernähren und insgesamt weniger tierische Lebensmittel konsumieren.

Es bedeutet auch, dass die Energiewende, so notwendig sie auch ist, weitgehend ohne Flächenbelegung auskommen muss. Die Herstellung von Biogas oder Bioethanol ist zwar CO2 -neutral aber wegen des hohen Flächenverbrauchs sicher nicht zukunftsfähig.
Photovoltaikanlagen müssen auf die Dächer, an Lärmschutzwände etc. Es ist nicht sinnvoll, dass hektargroße Solarparks über 20 – 30 Jahre diese Flächen der Lebensmittelgewinnung entziehen.

Global betrachtet ist dieser Ansatz der Flächenumnutzung auch für die Welternährung eine Lösung. Weltweit werden sogar über 80% der Ackerfläche für den Anbau von Futtermittel und Agrarrohstoffe verwendet, nur 20% für die direkte menschliche Ernährung, (Jering et al., 2013).

Fazit

Auch wenn es die breite Öffentlichkeit kaum wahrnimmt, aber landwirtschaftlich nutzbare Fläche wird weltweit außerordentlich knapp und damit ein Problem für die Ernährungssicherung und letztlich für die politische Stabilität auf der Welt.
Fläche ist ein Eigentum, das in besonderem Maße gegenüber der Gesellschaft verpflichtet. Deshalb ist es höchste Zeit, dass die Politik Regelungen schafft, statt die Verteilung der Agrarflächen dem Markt und damit dem Kapital zu überlassen.

Quellen

Diagramme: Quelle: FNR, 2017; Statistisches Bundesamt, 2019; eigene Darstellung

Badische Bauernzeitung. (2021). Das Ziel deutlich verfehlt. Badische Bauernzeitung Nr 6, 14.

https://www.dsw.org/weltbevoelkerung/. (2020). Weltbevölkerung.

Jering, A., Klatt, A., Seven, J., Ehlers, K., Günther, J., Ostermeier, A., & Mönch, L. (2013).
Globale Landflächen und Biomasse - nachhaltig und ressourcenschonend nutzen. Umweltbundesamt.De, 110. http://opus.kobv.de/zlb/volltexte/2012/16129/
http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/globale_landflaechen_biomasse_bf_klein.pdf

Zagema, B. (2011). Land and Power: The growing scandal surrounding the new wave of investments in land.
151 Oxfam Briefing Paper. www.oxfam.org/grow

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